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MOSKAU, 13. Februar 2009 (Juri Saizew - für RIA Novosti). Der Start des ersten Sputniks öffnete nicht nur das Tor zum Universum für den Menschen.
Er öffnete auch einen kolossalen Müllschlucker, dank dem sich der Weltraum rund um die Erde lawinenartig in eine gigantische Deponie für den Abfall der Raketen- und Raumfahrt verwandelt.

Dazu kommen die Überreste von explodierten Weltraumapparaten, Alltagsmüll von den bemannten Raumschiffen und Langzeit-Raumstationen sowie Kleinkram wie Schrauben, Scheiben und sogar Werkzeug, das die Raumfahrer bei Arbeiten im offenen All verlieren.

Die letzten Stufen von Trägerraketen, Marschtriebwerke, Raketenspitzen, kaputte und abgearbeitete Satelliten verbleiben in einer Höhe von 200 Kilometern und mehr.

Somit haben sich im erdnahen Raum circa 26 000 große künstliche Objekte und drei- bis fünfmal so viele kleine Elemente (Montagekonstruktionen, abgeworfene Schutzdeckel usw.) versammelt. Sie prallen aufeinander, und jeder Zusammenstoß vermehrt die Gesamtzahl der Fragmente vielfach.

Gegenwärtig haben nur zwei Länder, Russland und die USA, die Möglichkeit, die Weltraumverschmutzung durch den Menschen mit Hilfe ihrer nationalen Radare und optischen Mittel zu kontrollieren. Circa 10 000 Objekte, mindestens 10 bis 30 cm groß in niedrigen Umlaufbahnen und circa einen Meter groß in geostationären Umlaufbahnen, sind offiziell katalogisiert, das heißt, sie werden regelmäßig beobachtet, in besondere Kataloge eingetragen und sind mit ihren Herkunftsquellen identifiziert.

Insgesamt wurden knapp 14 000 Objekte mit einem Durchmesser von mehr als 10 cm entdeckt und werden regelmäßig beobachtet. Ungefähr 950 davon sind Raumapparate verschiedener Länder im Einsatz. Die Zahl der Objekte, die weniger als 10 cm groß sind, hat 200 000 bis 250 000 erreicht, die Zahl der Objekte mit einem Durchmesser von 1 bis 10 mm beträgt knapp 70 bis 80 Millionen, und die Zahl der Objekte, die eine Mikron oder weniger messen, beläuft sich auf 1013 bis 1014. Doch das sind nur statistische Schätzungen, weil solche Teilchen weder von Teleskopen noch von Radaren bemerkt werden und dementsprechend in keine Kataloge aufgenommen werden können.

Ein Fragment Weltraummüll mit nur einem halben Millimeter Durchmesser, das zehn bis zwanzigmal so schnell wie eine Kugel fliegt, kann den Schutzanzug eines Raumfahrers leicht durchbrechen. Ein Zusammenstoß mit einem mehr als 1 cm großen Partikel kann einen arbeitenden Satelliten außer Betrieb setzen. Zusammenstöße mit großen künstlichen Weltraumobjekten sind kaum wahrscheinlich, obwohl es bereits auch solche gegeben hat. Zum Beispiel traf ein Fragment der letzten Stufe der französischen Rakete Arian auf den französischen Satelliten Ceras und fügte diesem Schaden zu: Es brach die Stange des Gravitationsstabilisierungssystems durch. Im Januar 2005 stießen die letzten Stufen von zwei Trägerraketen, die von China und den USA in verschiedenen Jahren gestartet wurden, zusammen. In den 15 Jahren, in denen die sowjetische Raumstation Mir in Betrieb war, kamen ziemlich große künstliche Raumkörper bis auf einen Kilometer an die Station heran.

Im Juni 1999 hatte die damals noch unbewohnte Internationale Raumstation ISS alle Chancen, mit einem Überrest eines Marschtriebwerkes einer Trägerrakete zusammenzustoßen. 2001 musste die ISS ein besonderes Manöver ausführen, um einem sieben Kilogramm schweren Metalluntersetzer auszuweichen, den Raumfahrer bei Arbeiten im offenen All verloren hatten.

Die Ansammlung von künstlichen Objekten auf Erdumlaufbahnen ruft auch wegen der Strahlung im erdnahen All ernsthafte Besorgnis hervor. In den letzten Jahren wurden 33 sowjetische Raumapparate mit nuklearen Energieanlagen an Bord gestartet. Nach Abschluss des Flugprogramms wurden die nuklearen Kraftanlagen von den Satelliten abgestoßen und auf eine so genannte Lagerungsumlaufbahn (700 bis 1000 Kilometer Höhe) überführt. Hier wurden die aktiven Zonen, also die Brennelementbündel, abgestoßen.

Gegenwärtig befinden sich 44 russische Strahlungsobjekte auf einer Lagerungsumlaufbahn. Das sind zwei Satelliten, von denen die nuklearen Kraftanlagen nicht abgetrennt wurden (Kosmos-1818 und Kosmos-1867), Brennelementbündel und 12 abgeschaltete Reaktoren mit Flüssigmetallträgern, 15 Brennelementbündel mit nuklearem Brennstoff und 15 nukleare Kraftanlagen ohne Kraftstoff, doch mit Kühlmittel im Sekundärkreis. Sie sollen mindestens 300 bis 400 Jahre passiv auf der Lagerungsumlaufbahn verbleiben. Diese Zeit wird für den Zerfall der Spaltprodukte des Uran-235 bis auf ein sicheres Niveau reichen.

Auch die USA haben ihren Beitrag zur radioaktiven Verschmutzung des erdnahen Weltraums geleistet. Im April 1964 konnte der Navigationssatellit Transit-SB mit einem Radioisotopen-Generator an Bord seine Umlaufbahn nicht erreichen und fiel auseinander. Als er in der Atmosphäre verbrannte, streute er etwa ein Kilogramm Plutonium-238 über dem Westteil des Indischen Ozeans nördlich von Madagaskar aus. Das führte zu einer fünfzehnfachen Erhöhung des natürlichen radioaktiven Hintergrunds auf dem ganzen Planeten. Einige Jahre später stürzte der Wettersatellit Nimbus-B mit einem Uran-235-Reaktor in den Indischen Ozean. Gegenwärtig befinden sich sieben amerikanische Strahlungsobjekte im erdnahen Weltraum in Höhen von 800 bis 1100 Kilometern und zwei weitere auf nebengeostationären Umlaufbahnen.

Die potentielle Gefahr der russischen und amerikanischen nuklearen Satelliten besteht darin, dass weite Gebiete des erdnahen Raums verstrahlt werden können, wenn sie durch einen Zusammenstoß mit Weltraummüll zerstört werden. Außerdem werden vereinzelte Bruchstücke, die nach einem Zusammenstoß und der Zerstörung langsamer als die erste Weltraumgeschwindigkeit fliegen, von der Umlaufbahn abgleiten und im Endeffekt einzelne Abschnitte der Erdoberfläche verschmutzen. In besonders negativen Fällen ist eine beträchtliche Verstrahlung der Atmosphäre möglich.

Da die Gefahr besteht, müssen Vorbeugungsmaßnahmen oder, wenn diese unmöglich sind, muss die Beseitigung der Folgen im Voraus überlegt werden. Erstens muss die Zahl der Weltraumapparate durch die Verlängerung ihrer Betriebszeit und die Verwendung von Mehrzwecksatelliten reduziert werden. Nach Ende der Betriebszeit müssen sie mit Hilfe von Reservekraftstoff in die dichten Schichten der Atmosphäre überführt werden, wo sie verbrennen, oder auf weniger „dichtbesiedelte" Umlaufbahnen. Die zweite Variante ist besser. Die „Satellitenfriedhöfe" sollen voraussichtlich 200 bis 300 Kilometer höher liegen als die Zone der geostationären Erdumlaufbahnen.

Mit der unmittelbaren Räumung des bereits angestauten Mülls im erdnahen Raum sieht es in der nächsten Zukunft problematisch aus. Unter anderem sollen Laser dafür eingesetzt werden. Doch sogar die völlige Zerstreuung eines kleinen Objektes wird einen beträchtlichen Energieverbrauch fordern. Außerdem werden einige Materialien bei Laserbestrahlung nur auseinanderfallen und die Gesamtzahl der Fragmente vergrößern. Außerdem sieht diese Methode wegen der starken Wärmeemission in die Umwelt ziemlich gefährlich aus. Dabei kann nicht nur das Wärmegleichgewicht zerstört, sondern auch die chemische Zusammensetzung verändert werden.

Leider gibt es keine effizienten praktischen Maßnahmen zum Schutz des Weltraums in mehr als 600 Kilometern Höhe, wo der Bremseffekt der Atmosphäre nicht spürbar ist, vor dem Müll. Dabei birgt die weitere Anstauung von künstlichen Objekten auf erdnahen Umlaufbahnen die Gefahr in sich, dass ihre Anzahl nach Erreichen eines kritischen Niveaus wegen der Zerstörung bei Zusammenstößen lawinenartig ansteigen wird.

Das wird die Raumfahrt in einiger Zeit unmöglich machen.

Unser Autor Juri Saizew ist Experte vom Institut für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen

 

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