MOSKAU, 16./17. 2007 Oktober (Juri Saizew für RIA Novosti). Ein Ereignis in der Weltraumfahrt sorgte Anfang Oktober für Aufsehen.
Der Chef der US-Raumfahrtbehörde NASA, Michael Griffin, erklärte, dass er mit Ungeduld auf das nächste Jahrzehnt warte, in dem russische Kosmonauten und US-Astronauten zusammen zum Mond fliegen würden. Nach seiner Meinung sind internationale Projekte im Vergleich zu nationalen Programmen bei der Weltraumerschließung vorteilhafter.
Indes gibt es die russisch-amerikanische Zusammenarbeit im Weltraum bereits seit einigen Jahren. Im Mai 1972 vereinbarten die beiden Supermächte, ihre Anstrengungen um das Wohl des Fortschritts zusammenzulegen. Damals unterzeichneten der Vorsitzende des Ministerrates der UdSSR, Alexej Kossygin, und US-Präsident Richard Nixon ein Abkommen über Zusammenarbeit bei der Weltraumforschung und -nutzung.
Drei Jahre später kam es zum berühmten Händedruck zwischen Alexej Leonow, Kommandant des sowjetischen Raumschiffes Sojus-19, und Thomas Stafford, Kommandant der US-amerikanischen Apollo-18, im Weltraum. Das Programm „Sojus-Apollo“ war im Grunde ein politischer Schritt und leistete keinen besonderen Beitrag zur Weltraumerschließung. Danach kam es zu einem 20 Jahre dauernden Stillstand der russisch-amerikanischen Zusammenarbeit im Weltraum.
Bei der Vorbereitung des gemeinsamen Fluges mussten nicht wenig Schwierigkeiten überwunden werden. Sie hingen damit zusammen, dass jedes Land seinen eigenen Weg in den Weltraum ging. Auch die Weltraum-Technologien waren des öfteren kaum vereinbar. Die gesammelten Erfahrungen kamen zum Tragen, nachdem die Shuttle-Flüge zur Mir-Station begonnen hatten und dann auch der Bau einer Internationalen Raumstation (ISS) in Angriff genommen worden war. Dabei wurde das ISS-Programm zum einzigen Bereich des Zusammenwirkens zwischen den beiden Ländern in der postsowjetischen Zeit. Die Befürchtungen der USA, dass die Zusammenarbeit bei dem Bau der Station zum Abfluss ihrer wissenschaftlichen und militärischen Geheimnisse führen wird, bestätigten sich nicht. In Wirklichkeit gingen die Technologien, wie NASA-Experten zugaben, vorwiegend in die Gegenrichtung.
Umfassende Möglichkeiten für Zusammenarbeit bei bemannten Flügen, die sich vor Russland auftaten, trugen auch zu seiner Erschließung des Marktes der Startleistungen bei. In den Jahren des Kalten Krieges war er für die Sowjetunion durch verschiedene Exportbeschränkungen geschlossen. Russland besaß die leistungsstärksten und zuverlässigsten Mittel, um Nutzlast ins All zu bringen. Doch die westlichen Unternehmen in der Telekommunikation durften sie nicht nutzen. Im Falle der Verbotsverletzung konnten Sanktionen gegen sie verhängt werden.
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Zugleich fing das bemannte Gemeinschaftsprogramm an, auf sonstigen, bescheideneren Bemühungen um die Realisierung verschiedener internationaler Projekte unter Nutzung automatischer Weltraumapparate zu basieren. Das hing mit der Umverteilung der Gelder von der automatischen auf die bemannte Weltraumfahrt sowie Russlands drastischer Kürzung der Ausgaben für die Weltraumfahrt zusammen. Zum Beispiel kam der Start des internationalen astrophysikalischen Observatoriums mit Röntgen-Gamma-Spektrum nicht zustande, der in den 90er Jahren geplant war. Damals war Russland einfach nicht in der Lage, seinen Teil der Arbeit zu erfüllen. Im Ergebnis fand die bereits hergestellte kostspielige wissenschaftliche Apparatur anderer Länder, inklusive der US-amerikanischen, keine Verwendung.
Die Mars-Forschungen galten immer als eine der Prioritätsrichtungen des russischen und des US-Weltraumprogramms. Natürlich entstand der Wunsch, diese Richtungen, wie übrigens auch andere Planetenforschungen, irgendwie zu korrigieren. Es wurden sogar zwei amerikanisch-russische Gruppen organisiert, die eine Machbarkeitsstudie für Forschungsziele mit minimalen Ausgaben erstellen sollten. Diese Gruppen hießen Mars Together und Fire and Ice.
Die Aufgabe der Gruppe Mars Together bestand in der Ausarbeitung einer Konzeptes für einen gemeinsamen Flug von Forschungslaboratorien zu diesem Planeten. Unter anderem war geplant, einen der Starts im US-Programm „Researcher“ mit der russischen Mission „Mars-96“ zu vereinigen. Durchgearbeitet wurden auch andere Varianten für die Zeit nach 1998, einschließlich des Transports von Proben des Marsgesteins zur Erde.
Zur Aufgabe der Gruppe Fire and Ice gehörte die Organisation der Forschungen von zwei Enden des Sonnensystems: der Sonne und des von ihr weit entfernten Planeten Pluto. Die Raumsonde, die zur Sonne fliegen sollte, sollte eine Kombination aus der amerikanischen automatischen Station und dem russischen optischen Modul darstellen. Es war geplant, zwei US-Stationen mit Hilfe der Trägerrakete Proton zum Pluto zu starten. Auf jeder davon sollten abtrennbare russische Module zur Annäherung an den Planeten oder dessen Satelliten Haron aufgestellt werden. Doch trotz der politischen Unterstützung durch beiden Seiten wurden diese Projekte nicht in die Tat umgesetzt.
Die Ergebnisse des Programms Mars Together waren positiver. Freilich misslang der Flug der russischen automatischen Station Mars-96 mit internationalen Forschungsgeräten: Der Weltraumapparat konnte eine interplanetare Umlaufbahn nicht erreichen. Später jedoch einigten sich die USA und Russland auf die Installation russischer Geräte auf amerikanischen Stationen, die zum Mars flogen.
Anatoli Perminow, Leiter der Russischen Raumfahrtagentur Roskosmos, und Michael Griffin, Administrator von NASA (US-Raumfahrtbehörde), unterzeichneten am 3. Oktober in Moskau im Vorfeld des 50. Jahrestages des Starts des ersten künstlichen Erdsatelliten der Welt Abkommen über die neuen Projekte LEND und DAN, die die russisch-amerikanische Zusammenarbeit bei der Mars- sowie der Mondforschung fortsetzen werden.
LEND (Lunar Exploration Neutron Detector) ist für die Aufstellung auf dem amerikanischen Mondaufklärungsmodul (LRO) bestimmt. Seine Aufgabe besteht in der Suche nach Wasser in ständig überschatteten Kratern in der Nähe der Mondpole.
Das russische Gerät DAN (Dynamic Albedo of Neutrons) wird sich an der US-Mission MSL (Mars-Forschungslabor) beteiligen. Der Beginn der Realisierung der Projekte ist für 2009 geplant. Auf die Marsoberfläche wird ein bewegliches Labor - Marsfahrzeug - abgesetzt. Mit Hilfe der darauf installierten Forschungsgeräte, inklusive des DAN, wird der Wassergehalt im Marsgestein gemessen.
Bei einem Treffen der Leiter der russischen und der amerikanischen Raumfahrtbehörde wurden auch Fragen geprüft, die mit der Sicherung eines normalen Funktionierens der Internationalen Raumstation (ISS) und mit dem Abschluss ihrer Montage gegen 2010 zusammenhängen.
Nach Meinung der Leiterin des Dwight-Eisenhower-Instituts Susan Eisenhower, Enkelin des ehemaligen US-Präsidenten, zeigte das, was nach der Katastrophe der Raumfähre Columbia geschehen war, die Schlüsselrolle Russlands im ISS-Programm. Wenn es russische Raumschiffe nicht gegeben hätte, so wäre die Station ohne Mittel für den Transport von Gütern und Besatzungen im All geblieben. Russland rettete faktisch allein dieses internationale Projekt.
Heute haben die Teilnehmerstaaten des ISS-Programms unterschiedliche Vorstellungen von den Fristen ihres Betriebes. Die USA gaben schon bekannt, dass sie die Absicht hätten, Ende 2015 aus dem Programm auszutreten. Die Europäische Raumfahrtbehörde betonte ihrerseits, dass sie nicht die Absicht habe, in diesem Fall den NASA-Anteil am Programm zu bezahlen.
Nur Russland plant, den Betrieb der Station voraussichtlich bis 2020 fortzusetzen.
Zurzeit wird die Frage einer bemannten Mars-Expedition besprochen. Es werden auch die Fristen ihrer möglichen Realisierung genannt. Nach Meinung des Akademiemitglieds Roald Sagdejew, der im Laufe von 14 Jahren das Institut für Weltraumforschungen der Russischen Akademie der Wissenschaften geleitet hat, wird sich keine einzige Weltraummacht entschließen, einen solchen Flug im Alleingang zu verwirklichen. Jeglicher Misserfolg, so Sagdejew, geschweige denn der Tod von Kosmonauten, kann die eigentliche Idee der interplanetaren Expansion in Verruf bringen. In einem multinationalen Projekt werden sich die Teilnehmerstaaten hintereinander „verstecken“ und die Verantwortung teilen können.
Ungeachtet der Forschungserfolge in den letzten Jahren wird Mars noch eine lange Zeit ein problematischer Planet bleiben und muss mit Hilfe von Raumsonden bei umfassender internationaler Kooperation erforscht werden.
Die russische und die amerikanische Raumfahrtgemeinschaft konnten durch die gemeinsamen Bemühungen schon solche wissenschaftlichen und technischen Ergebnisse erzielen, die in derart kurzer Zeit kaum zustande gekommen wären, wenn sie im Alleingang gehandelt hätten.
Zum Verfasser: Juri Saizew ist Experte des Instituts für Weltraumforschungen.
Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.