Russland wird eine Rakete entwickeln, die Kosmonauten auf den Mond befördern könnte – diese Entscheidung wurde endgültig getroffen, schreibt die Online-Zeitung Vz.ru am Freitag.
Dass Russland eine neue superschwere Trägerrakete braucht, hatte Präsident Wladimir Putin noch im April gesagt. Damals wurde berichtet, dass die Raketenbaukorporation „Energija“ diesen Auftrag gemeinsam mit anderen Konzernen der Raumfahrtbranche bekommen würde. Für die Entwicklung dieses Projekts könnten bis zu 1,6 Milliarden Rubel (nahezu 20 Millionen Euro nach dem aktuellen Wechselkurs) bereitgestellt werden. Der vorläufige Entwurf sollte bis Ende 2019 fertig sein.
In den letzten Jahren gab es viele Debatten über die Entwicklung einer solchen Trägerrakete. Manche Experten waren der Auffassung, dass Russland sie dringend bräuchte, wenn es den Mond erschließen will. Andere behaupteten, das Mond-Programm wäre überhaupt nicht nötig, so dass entsprechende beträchtliche Mittel eingespart werden könnten.
Diese Kontroversen sind durchaus nachvollziehbar, wenn man die Geschichte der Entwicklung von solchen einmaligen und enorm teuren Trägerraketen bedenkt.
Geschichte schwerer Raketen
Superschwere Trägerraketen entwickelten nur zwei Weltraum-Großmächte: die USA und die Sowjetunion. Der Kampf zwischen den beiden war verbissen, und sie waren ziemlich erfolgreich.
Die Führung gehört den Amerikanern: Ihre dreistufige Rakete Saturn-5 gilt immer noch als die schwerste (Startmasse: 2910 Tonnen) und tragfähigste in der Geschichte. Sie konnte mehr als 140 Tonnen Güter in die Erdumlaufbahn befördern. Die Nasa entwickelte diese Rakete extra für das Mond-Programm, und es wurden insgesamt 13 Saturn-Raketen erfolgreich gestartet. Ihre Entwicklung, die 1961 begann, kostete 4,9 Milliarden Dollar.
Die UdSSR wollte in den frühen 1970er Jahren den Amerikanern Paroli bieten, blieb jedoch erfolglos: Vier gescheiterte Starts von Raketen N-1 durchkreuzten das Programm zur bemannten Mond-Erschließung. Die Konstrukteure hatten damit gerechnet, in die Erdumlaufbahn 90 Tonnen Güter und auf den Mond 30 Tonnen bringen zu können, aber praktisch ist das nicht gelungen.
Das nächste sowjetische Projekt hatte mehr Erfolg: Es wurden zwei superschwere Trägerraketen „Energija“ gestartet, das zweite Mal 1988 sogar mit dem Pendelraumschiff „Buran“. Aber bald darauf fragten sich Experten immer öfter, ob die 14 Milliarden Rubel in dieses Programm richtig investiert worden waren, oder ob man sie für andere, wichtigere Zwecke hätte ausgeben sollen. Besonders akut wurde diese Frage in den 1990er Jahren, als die Sowjetunion zerfallen war und die russische Wirtschaft quasi in Trümmern lag. Aber auf diese Frage kann es nur eine Antwort geben: Nein, diese Ausgaben waren nicht umsonst.
Denn damals wurde eine enorm wichtige Aufgabe gelöst. Es wurde eine superschwere Trägerrakete entwickelt, die immer noch ihresgleichen sucht. Aber …
„Unserem Land ist ein strategischer Fehler unterlaufen, als wir auf schwere Raketen verzichteten, nämlich auf die weltweit beste Rakete ‚Energija‘“, sagte der Raumforscher und Akademiemitglied Boris Tschertok. „Man legte Michail Gorbatschow aussichtsreiche Projekte (…) vor, die uns gestatten würden, unsere Führungsrolle in der Kosmonautik beizubehalten, aber er hatte dafür kein Interesse. Die Perestroika ging zu Ende, und es blieben nur die Ruinen.“
„Um das System ‚Energija-Buran‘ zu bauen, mussten wir etwa 85 einmalige Stoffe entwickeln, die unter den extremen Bedingungen im Weltall funktionieren können“, erinnerte sich Oleg Baklanow, der damals sowjetischer Maschinenbauminister war. „Sie waren viel besser als alle ähnlichen Stoffe damals. Natürlich waren sie teuer, aber sie alle wurden später in der Volkswirtschaft verwendet (…) und schenkten der Menschheit einen kolossalen Zeitgewinn. Aber dann (…) kam Soros nach Jelzin-Russland und kaufte alle ‚Know-hows‘, die in das ‚Energija‘-System gesteckt worden waren, ab.“
Faktisch wurde die „Energija“ die letzte superschwere Rakete, die mit realer Nutzlast ins Weltall geschickt wurde. Denn die Amerikaner haben nach dem Weltraumstart der Saturn-5 im Jahr 1973 keine weiteren Superraketen ins All gebracht.
Neue Runde
Und nun scheint die Zeit von Superraketen wieder da zu sein.
Am 6. Februar startete Elon Musk seine Trägerrakete Falcon Heavy mitsamt einer Nutzlast, nämlich mit einem Tesla Roadster und einer Puppe am Steuer, in den Weltraum. Es wird behauptet, dass diese Rakete fast 64 Tonnen Güter in die Erdumlaufbahn bringen kann. Ein Start kostet zwischen 90 und 120 Millionen Dollar. Das sind fast „Peanuts“ im Vergleich zur anderen amerikanischen superschweren Rakete SLS, deren Tragfähigkeit zwischen 70 und 130 Tonnen liegt. Diese Rakete wird erst noch entwickelt, aber die Nasa hat schon den Preis für einen Start bestimmt: 500 Millionen Dollar. Der erste unbemannte Start ist für 2020 geplant, und das Programm Space Launch System wird auf 35 Milliarden Dollar geschätzt.
Jetzt will sich auch Russland an diesem Wettrennen beteiligen. Am 19. Dezember wurde in einer Präsidiumssitzung der Weltraumforschungsbehörde Roskosmos eine Konzeption der künftigen superschweren Rakete besprochen.
„Die neue superschwere Trägerrakete muss bis 2028 gebaut werden“, sagte der Vorsitzende des wissenschaftlich-technischen Rats von Roskosmos, Juri Koptew.
Das Projekt, das vorläufig den Namen „Angara-Sojus“ bekommen hat, wird auf 1,5 Billionen Rubel geschätzt. Diese Mittel sind nach Einschätzung der Raumfahrtbehörde für die Entwicklung der Rakete und die Einrichtung der entsprechenden Infrastruktur auf dem Weltraumbahnhof „Wostotschny“ bestimmt.
(Quelle: Sputnik Deutschland / Copyright © Sputnik)