08. November 2011 - China ist erstmals ein Andockmanöver im Weltall gelungen. In der Nacht auf den Freitag dockte das unbemannte Raumschiff „Shenzhou 8“ an das Modul „Tiangong 1“ an. China ist damit seiner geplanten Raumstation einen Schritt näher gekommen.
„Magisches Schiff“ an „Himmelspalast“ angedockt
Die am 1. November gestartete “Shenzhou 8“ (chinesisch: „magisches Schiff“) dockte erfolgreich an das seit Ende September in der Erdumlaufbahn befindliche Modul "Tiangong 1“ („Himmelspalast“)..
In zwölf Tagen soll sich das Raumschiff vom Modul trennen und anschließend wieder andocken. In der Zwischenzeit sollen die Versorgungs- und Steuersysteme der beiden Weltraumapparate getestet werden.
Abhängig vom Ausgang des Experiments könnte die nächste Mission zum Modul „Tiangong“ („Shenzhou 9“ soll in der ersten Hälfte 2012 einsatzbereit sein) bemannt oder unbemannt erfolgen. „Shenzhou 10“ soll in der zweiten Hälfte 2012 Raumfahrer zur Weltraumstation bringen.
Alter Weg zur neuen Station
Jedes Land hat bei der Weltraumforschung zwar seine Besonderheiten, ist aber im Grunde einheitlich. China bildet dabei keine Ausnahme. Die chinesische Raumfahrt durchläuft gerade die Phasen, die die Sowjetunion und die USA in den 1960er und 1970er Jahren auf der Jagd nach Anerkennung hinter sich gebracht hatten.
Die Weltraumstationen sind eher ein sowjetisches „Thema“. Die sowjetischen Erfahrungen bei der Schaffung und Nutzung der „Weltraum-WGs“ sind viel größer als die der USA. Doch die Sowjetunion und die USA waren damals denselben Weg gegangen.
Die USA konnten die aus Apollo-Programm gewonnenen Kenntnisse bei ihrer Weltraumstation Skylab nutzen. Die Sowjetunion entwickelte in den 1960er Jahren nach dem Vorbild der militärischen Raumstation „Almas“ die Raumstation „Saljut“.
China geht zwar auch den Weg der Sowjetunion, es gibt aber Unterschiede. Die acht Tonnen schwere „Tiangong-1“ ist selbstverständlich mit der 20 Tonnen schweren „Saljut“ nicht zu vergleichen. Das hängt in vielerlei Hinsicht damit zusammen, dass China über keine schweren Raketen verfügt. Für Peking besteht nicht die Notwendigkeit, diese Raketen zu entwickeln.
Tandem
Die geringe Größe der Raumstation eignet sich bestens für die geplante Multi-Modul-Bauweise.
2013 soll das Raummodul „Tiangong-2“ in die Umlaufbahn gebracht werden. An dem Modul können gleichzeitig zwei bemannte Raumschiffe „Shenzhou“ andocken. Ab 2015 soll der erste Prototyp des Multimoduls „Tiangong-3, bestehend aus fünf Elementen, ins All gestartet werden.
An den Prototypen, die in den vergangenen zehn Jahren von der chinesischen Raumfahrtindustrie vorgestellt wurden, ist erkennbar, wie die Raumstation etwa im Jahr 2020 aussehen wird. Sie ähnelt stark der ISS oder Mir – dieselbe komplizierte Konstruktion, dieselben Kopplungsräume, dieselben vergrößerten Funktionsmodule für Apparate und Menschen.
Die Umsetzung dieses Plans wird mit einem simplen Verfahren begonnen, das in den 1970er Jahren von der Sowjetunion angewandt worden war: Ein bemannter bzw. unbemannter Frachter dockt an das Modul an. Wie beim sowjetischen Tandem „Saljut“-“Sojus“ werden die Chinesen auf „Tiangong“ und “Shenzhou“ setzen.
Kleiner Bruder
Gegen 2020 könnte die ISS zum Auslaufmodell werden. Die USA haben ihren Aufenthalt auf der Raumstation bis 2020 verlängert und haben offenbar das Interesse an einer großen „Wohnung im All“ verloren.
Es ist bislang unklar, ob die USA eine eigene Raumstation statt der ISS planen – vor allem angesichts der Mängel bei den Versorgungstechnologien und des massiv gekürzten NASA-Etats. Eine Raumstation wird in der US-Raumfahrt derzeit nicht als Priorität angesehen.
Russland laufen Diskussionen über die Entwicklung einer neuen Raumstation, falls die ISS dicht gemacht wird. Für eine Raumstation muss es ausreichend Forschungsaufträge geben. In Bezug auf das russische ISS-Segment ist das nicht der Fall. Andere ISS-Bewohner haben einfach nicht genügend Technologien und Geld, um das Projekt selbstständig zu unterhalten.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Menschheit in den 2020er Jahren durch China im Weltraum vertreten sein wird.
Konstantin Bogdanow, RIA Novosti
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