Überhorizontradare der Militärs - So funktioniert ein Überhorizontradar
Hier ist eine gekürzte Zusammenfassung eines Berichtes der Bandwacht über Über-Horizont-Radare. Er erschien im Heft 03/2007 der Zeitschrift CQ-VFDB:
Überhorizontradare nutzen die gleichen physikalischen Eigenschaften der Ionosphäre, welche auch die lizenzierten Funkamateure für ihre DX-Verbindungen schätzen und verwenden: Die Kurzwellensignale werden günstigen Falls an elektrisch leitenden Schichten gebeugt oder reflektiert und kommen dann nach einigen Tausend Kilometern Weg "hinter dem Horizont" wieder auf der Erde an. Von dort gelangt auf dem gleichen Weg ein schwaches Signalecho zum Ausgangsort zurück, das dort von der Bedienmannschaft am Bildschirm aufgefangen und ausgewertet wird. So kann man die Höhe von Meereswellen, anfliegende Flugzeuge und Raketen, Truppenaufmärsche mit Fahrzeugmassen oder Schiffe lokalisieren. Das Radar der Briten auf der Insel Zypern im Mittelmeer zum Beispiel sendet mit einer Pulsfolge von 25 oder 50 Pulsen pro Sekunde.
Jeweils in den dazwischen liegenden Sendepausen kann das reflektierte Signal von der Bedienmannschaft am Bildschirm empfangen und ausgewertet werden.
Vor 35 Jahren: Der Woodpecker macht die Kurzwelle kaputt!
Der "Vater aller Überhorizontradare" ist der bereits legendäre Klopfspecht oder Woodpecker aus Poltava in der Ukraine. Er legte bei seinem Erscheinen vor über 35 Jahren über viele Jahre hinweg viele Megahertz des Kurzwellenspektrums lahm: Alle Funkdienste waren davon betroffen, und es ging ein Aufschrei der Empörung um die Welt. "Weshalb tun die Sowjets so etwas, und welchen Zweck hat dieses Rattern und Klopfen?" Natürlich hatten auch die Funkamateure lange Zeit darunter zu leiden. Der Klopfspecht war mit ein Grund, dass damals die Bandwacht ins Leben gerufen wurde.
Irgendwann zog sich der Klopfspecht nach dem Ende des Kalten Krieges wieder in seine Höhle zurück und hielt seinen Schnabel. Doch längst gibt es neü Radare mit ausgefeilten Techniken, die nicht ganz so störend sind.
Das britische Überhorizontradar im Salzsee von Akrotiri auf Zypern
Da gibt es schon seit acht Jahren das Radar der Britischen Streitkräfte in Akrotiri auf der Insel Zypern: Anlage "Pluto 1" wurde 1999 fertiggestellt, "Pluto 2" im Oktober 2003. Es verwendet Frequenzen zwischen 10 und 30 MHz.
Akrotiri ist eine der beiden Militärbasen der Briten. Der Standort des Überhorizontradars liegt im Süden der Insel in einem flachen Salzsee. Dieser Salzsee bietet nicht nur durchziehenden Zugvögeln Futter und Rastplatz, sondern auch den dort installierten Sende- und Empfangsantennen des Britischen ÜH-Radars das richtige Erdpotenzial. Und was gibt es auf den Radarschirmen in Akrotiri zu sehen? Die Insel Zypern liegt wie ein festgezurrter Flugzeugträger im östlichen Teil des Mittelmeeres. Die britischen Spanner sitzen hier sozusagen in der "ersten Reihe" und schauen mit ihrem Radar in die "Schlafzimmer" der Iraner, der Syrer, Libanesen, Israeli und Ägypter, ohne sich selbst dorthin zu bewegen.
JORN, das Überhorizontradar der Australier im nördlichen Outback
Schon seit über einem Jahr beschweren sich die Funkamateure in Australien, Neuseeland, Thailand, den Philippinen und ongkong über starke pulsierende Aussendungen im 40-m-Band. Sind es die Chinesen, die für diese Störungen in Frage kommen oder die Australier mit ihrem Radar genannt "JORN"?
JORN, die Abkürzung für "Jindalee Operational Radar Network”, wurde entwickelt, um die Überwachung des Luft- und Seeverkehrs hinter 37 000 Kilometern weitgehend ungeschützter Küstenlinie und 9 Millionen Quadratkilometern Ozean zu bewerkstelligen. Es soll einen Sicherheitsschild im abgelegenen australischen Norden bilden, der nicht die immensen Kosten dauernder Präsenz an Schiffen und Luftaufklärungsflugzeugen verschlingt. Das Beobachtungsgebiet von JORN schliesst ein: Java, Irian Jaya, Papua Neuguinea, die Salomon-Inseln und die Hälfte des Seegebietes des Indischen Ozeans.
Inoffizielle Berichte sagen, dass JORN bis in den Hafen von Singapur, bis nach Hong Kong und hinein in chinesisches Staatsgebiet bis zur russischen Grenze spähen kann. Es besänftigt die über Jahrzehnte hinweg andauernde Furcht der Australier vor einer Invasion vom Norden her, welche während des Zweiten Weltkriegs durch die Japaner stattfand.
Das australische Überhorizontradar verwendet zwei Kurzwellensende- und Empfangsstationen, die 2300 Kilometer von einander entfernt stehen, in Longreach und Laverton. Die Antennenanlagen sind jeweils 3400 Meter lang. Jeder "Arm" umfasst 960 Einzelantennen. Jeder vertikale Antennenmast ist 5,50 m hoch. Die Sender können angeblich Signale von 20 Kilowatt Leistung erzeugen.
Ein dritter Radarstandort ist in der Torres-Strasse zwischen der Halbinsel Cap York und Papua Neuguinea. Diese Anlage wurde jedoch Mitte März 2007 wieder geschlossen, weil sie keine guten Ergebnisse zeitigte: Die Bootsflüchtlinge, die aus dem Norden kamen, verwendeten meist kleine Holzboote mit geringem Eisenanteil. So waren sie auf dem Radarschirm nicht sichtbar.
Das US-Amerikanische OTH-B-System (AN/FPS-118)
Das Überhorizontradar der Amerikaner ist an der Ost- und Westküste der USA positioniert. Je drei Systeme, drei im US-Bundesstaat Maine an der Ostküste und drei an der Pazifikküste, wurden schon vor Jahren errichtet. Sie sind jedoch nach dem Ende des Kalten Krieges nur zum Teil in Betrieb. Die Betriebsfrequenzen des OTH-B liegen zwischen 5 und 28 MHz. Mit einer Ausgangsleistung von 1,5 Megawatt erzielt es Reichweiten zwischen minimal 800 km und maximal 3000 bis 5000 Kilometer.
Ein Überhorizontradar in Tschechien und US-Abwehrraketen in Polen?
In Tschechien wollen die USA in diesen Tagen eine Radaranlage zur Raketenabwehr errichten. Verhandlungen zwischen den Regierungen laufen schon. Die Anlage soll etwaigen Angriffen auf die USA aus dem Iran Paroli bieten. Inoffiziell sind zwei mögliche Stationierungsorte für ein Radar durchgesickert:
Militärgelände in Jince in Zentralböhmen und in Libava im nördlichen Mähren. Ausserdem soll in Polen eine zu dem System gehörende Raketenstartanlage für zehn Raketen entstehen, nachdem sich die Tschechen gegen eine Stationierung ausgesprochen hatten. US-Experten hatten bereits anfangs des Jahres 2007 in Tschechien und Polen mögliche Standorte begutachtet. Es wäre die erste derartige Basis der USA. Dort gibt es Stützpunkte in Kalifornien und Alaska. Die Bevölkerung Polens und Tschechiens protestiert heftig gegen diese Pläne, und auch die russische Regierung lehnt die Pläne des Pentagons entschieden ab.
Was geht das uns Funkamateure an? Sehr viel, denn sicherlich werden wir mit die ersten sein, die in unseren Bändern von den Pulsen der Radare beglückt werden, egal ob sie nun in Tschechien oder in Polen stehen: Da es sich um ein weit reichendes Überhorizontradar handeln wird, kommen nur Kurzwellenfrequenzen in Betracht, und Signale auf Kurzwellen machen bekanntlich vor Grenzen nicht Halt.
Proteste der Funkamateure werden ungehört verhallen, denn die Militärs haben sozusagen Narrenfreiheit. Im Artikel 38 der Radio Regulations der IARU besagt die Nr. 161.1:
"Mitgliedsländer erhalten völlige Freiheit, was die militärischen Funkeinrichtungen ihrer Armee, ihrer Marine und ihrer Luftwaffe betrifft."
Info: Ulrich Bihlmayer, DJ9KR
(aus dem Württemberg-Rundspruch 22/2007)