In der Geschichte der Erde folgten wärmere Epochen auf Eiszeiten. Auch jetzt handelt es sich um eine Periode zwischen Eiszeiten, doch die Erdoberfläche erwärmt sich schneller als erwartet. Wer oder was dafür verantwortlich ist und was dagegen getan werden könnte – das erfahren Sie in diesem Artikel.
Mal kalt, mal heiß
Laut einer Hypothese des serbischen Mathematikers und Geophysikers Milutin Milankovic, die vor 100 Jahren in seiner Studie „Mathematische Theorie von durch Sonneneinstrahlung verursachten Wärmeerscheinungen“ geäußert wurde, wird die Erdoberfläche durch die Sonne wegen regelmäßiger Änderungen der Orbitalparameter – Desaxierung, Neigung der Drehachse und Präzession - unterschiedlich erwärmt. Deswegen entstehen Vereisungen, die durch wärmere Perioden – sogenannte Zwischeneiszeiten - abgelöst werden. Diese werden Milankovic-Zyklen genannt, auf deren Grundlage langfristige Klimaprognosen gemacht werden.
Jeder Orbitalparameter hat eine eigene Zyklizität. Zum Beispiel die Desaxierung: Die Umlaufbahn der Erde im Sonnensystem geht alle 95.000, 125.000 und 400.000 Jahre in eine elliptischere Bahn über. Die Drehachse der Erde weicht innerhalb von drei Grad von der Ekliptik rund alle 41.000 Jahre ab. Der Zyklus der Präzession - Präzessionsperiode der Erdachse - liegt durchschnittlich bei 26.000 Jahren. In dieser Zeit vollzieht die Erdachse einen vollständigen Kreis. Diese Faktoren zusammen ergeben das Intervall der Klimaepochen von 41.000 und 100.000 Jahren. Laut Berechnungen von Milankovic macht der Unterschied bei der Menge des Sonnenlichts in der nördlichen Halbkugel bis zu 20 Prozent aus.
Hockeyschläger-Kurve
Im Pleistozän - vor 2,6 Mio. bis 11700 Jahren – erlebte die Erde mehrere kalte Perioden, als Gletscher bis zu 30 Prozent der Erde einnahmen und auf der nördlichen Halbkugel sogar bis zum 40. Breitengrad. Der letzte Eiszeit-Höhepunkt war vor etwa 18.000 Jahren. Laut Berechnungen von Milankovic befindet sich die Erde derzeit noch in der Holozän-Zwischeneiszeit, die vor rund 12.000 Jahren begann. Gerade darauf weisen die Gegner der Hypothese des anthropogenen Einflusses auf das Klima hin, wenn es um die globale Klimaerwärmung geht. Doch ein genaueres Modellieren zeigt, dass die aktuelle Entwicklung nichts mit den natürlichen Zyklen zu tun hat – weder nach der Stärke noch nach der Dynamik.
Laut der Kurve der Durchschnittstemperaturen auf der Erde, bekannt auch als „Hockeyschläger-Kurve“, entfiel der Höhepunkt der Holozän-Erwärmung – das mittelalterliche Klimaoptimum – auf das 10. bis 13. Jahrhundert. Damals war es auf dem Planeten sogar wärmer als in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Danach begann eine langsame allgemeine Abkühlung.
Der Mensch erwies sich stärker als die Natur
Laut den Milankovic-Zyklen muss die Erde sich heute allmählich abkühlen, doch die industrielle Revolution Ende des 19. Jahrhunderts beeinflusste die natürliche klimatische Entwicklung. Derzeit liegen die jahresdurchschnittlichen Temperaturen 0,6-0,8 Grad über den als Ausgangspunkt angenommenen Kennzahlen aus den 1960er bis 1980er Jahren. Der Hauptgrund sind die anthropogenen Ausstöße von Treibhausgasen, vor allem von Kohlendioxid.
Wissenschaftler des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung betonen, dass die Konzentration des Kohlenwasserstoffs in der Atmosphäre ihren Höchststand seit drei Millionen Jahren erreicht hat. Laut der Studie können die Durchschnittstemperaturen, die in dieser Periode nie um mehr als zwei Grad über dem vorindustriellen Spiegel stiegen, bereits in den kommenden 50 Jahren diese Marke übertreffen.
Davon zeugen auch Daten, die in den Berichten eines länderübergreifenden Verbunds von Regierungsexperten zum Klimawandel, die 1988 von der Weltorganisation für Meteorologie und Umweltprogramm der Vereinten Nationen ins Leben gerufen worden war, regelmäßig veröffentlicht werden. Im letzten, fünften Bericht (AR5 Synthesis Report: Climate Change 2014) heißt es:
„Unabhängig davon, welche realistische Bedeutung der Sensibilität der Temperatur der Erde zur Wärmebilanz wir wählen, können die aktuellen Änderungen nur durch die Anhäufung von Kohlenwasserstoff in der Atmosphäre ausgelöst werden.“
Diese Schlussfolgerung bestätigen auch die Ergebnisse der Analyse der globalen Klimamodelle, die im Rahmen des Projektes CMIP (Coupled Model Intercomparison Project) von der Arbeitsgruppe zum gemeinsamen Modellieren (WGCM) der Klimaerwärmung durchgeführt wird. Laut Simulationsexperimenten CMIP3 und SMIP5 liegen die Temperaturen deutlich höher als die zu erwartenden natürlichen Trends seit Ende der 1970er Jahre.
Pause in der globalen Erwärmung
Doch von 1998 bis 2013 stellten Klimaforscher eine merkwürdige Erscheinung fest – während der C02-Gehalt in der Atmosphäre ständig zunahm, stoppte quasi der Temperaturanstieg. Das wurde von Experten im fünften Bericht, der 2014 veröffentlicht wurde, festgestellt. Allerdings äußerten sich Verfasser des Berichts ziemlich vorsichtig:
„Die globale Temperatur der Erdoberfläche zeigt eine deutlich geringere zunehmende lineare Tendenz in den letzten 15 Jahren als in längeren Perioden von 30 und 60 Jahren.“
Die Wissenschaftler konnten nicht verstehen, was vor sich geht – die Beobachtungen widersprachen allen Klimamodellen. Der Streit zwischen den Anhängern und Gegnern der Hypothese der anthropogenen Natur der globalen Erwärmung gewann sogar noch an Schärfe. Doch 2013 stiegen erneut die Temperaturen, die Klimaforscher sagten, dass solche 15 Jahre dauernden Unterbrechungen wahrscheinlich mit einer bestimmten Periodizität entstehen, rund jede 30 Jahre.
Rolle der Ozeane
Man musste das Paradoxon der Stabilisierung der globalen Temperaturen vor dem Hintergrund des Anstiegs der CO2-Konzentration in der Atmosphäre irgendwie erklären. Andernfalls würden die auf einfacher Extrapolation basierenden Prognosen-Modelle das Vertrauen verlieren.
Chinesische Wissenschaftler der Universität Lanzhou warteten mit einem genaueren Modell auf – unter Berücksichtigung der Umverteilung der Energie zwischen der Atmosphäre und den Ozeanen. Es stellte sich heraus, dass in der Periode der angeblichen Unterbrechung bei der Erwärmung sich die Erde tatsächlich weiter erwärmt, doch die Wärme sammelt sich tief in den Weltmeeren. Nachdem die Wärmekapazität der Ozeane ein bestimmtes Niveau erreicht hat, steigt erneut die Temperatur in den oberen Wasserschichten – damit ist die Zyklizität verbunden. Zuvor hatten die Wissenschaftler bewiesen, dass gerade die Abschwächung der Wasserzirkulation in den Ozeanen für die Verlängerung der Eiszeiten im Pleistozän und für den Übergang vor rund einer Million Jahren von 41.000 Jahre langen Zyklen zu 100.000 Jahre langen Zyklen sorgte. In der Paläoklimatologie wird dies als das „Problem der 100.000 Jahre“ bezeichnet.
Die Zyklen von Milankovic sind nicht nur in Geologie und Klimaforschung wichtig. So stellten Anthropologen der University of Wisconsin–Madison fest, dass diese Zyklen innerhalb von hunderten tausend Jahren die Periodizität des Wechsels der Wohnstätten der Frühmenschen beeinflussten, darunter die vor 125.000 Jahren begonnene Ansiedlung unserer Vorfahren außerhalb Afrikas – im Nahen Osten und Mittelmeergebiet mit dem feuchten subtropischen Klima.
(Quelle: Sputnik Deutschland / Copyright © Sputnik)