DX-Verbindungen über den „long path“
Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf der Erdkugel erfolgt entlang eines Kreisbogens. Daß der kürzeste Weg nicht Immer der Beste ist, zeigt dieser Artikel.
Betrachtet man eine übliche Weltkarte und fragt man einen Laien, was beispielsweise die richtige Strahlrichtung für eine Funkverbindung zwischen Deutschland und den USA sei, so erhält man meist die Antwort: Genau nach Westen. Tatsächlich weiß jedoch jeder Funkamateur, daß die richtige Strahlrichtung in diesem Fall etwa Nordwest ist.
Der Grund dafür ist ganz einfach: die Weltkarte ist nur eine Darstellung der dreidimensionalen Erdkugel auf eine zweidimensionale Ebene. Und die üblichen Weltkarten sind daher nicht winkeltreu. Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten auf einer Kugeloberfläche erfolgt immer entlang eines Großkreises. Ein Großkreis ist die Schnittlinie der Oberfläche der Kugel mit einer durch den Kugelmittelpunkt gelegten Ebene. Zeichnet man solche Großkreise in unsere Weltkarte ein, so ergeben sie die dem Funkamateur hinlänglich bekannten Kurven. Abbildung 1 zeigt dies für Wien, wobei neben den Großkreisen die entsprechende Strahlrichtung angegeben ist. Wie man erkennt, erreicht man von Wien aus den Westen der Vereinigten Staaten mit einer Strahlrichtung von ca. 330 Grad. Dies ist der direkte oder kurze Weg, im englischen wird er „short path" bezeichnet. Die Entfernung beträgt dabei rund 9000 km. Nun gibt es jedoch noch eine zweite Möglichkeit, entlang des Großkreises an die Westküste der USA zu kommen. Dies ist der indirekte oder lange Weg, im englischen als !long path" bezeichnet. Er führt in Südost-Richtung über den Indischen Ozean, Australien und Hawaii. Die Entfernung beträgt auf diesem langen Weg ca. 30 000 km. Der Unterschied in der Strahlrichtung beträgt 180 Grad - wir müssen unsere Antenne also auf 150 Grad drehen. Da der Umfang der Erdkugel etwa 40000 km beträgt, ist der kurze Weg also immer kürzer als 20000 km. der lange Weg entsprechend länger.
Und trotzdem kann eine Funkverbindung über den „long path" vorteilhafter sein als über den kurzen Weg. Ja manchmal ist der indirekte Weg sogar die einzige Verbindungsmöglichkeit. Wir werden dies anhand von zwei Beispielen erläutern.
Abbildung 1 |
Long path auf der Nachtseite der Erde
Unter normalen Bedingungen wird ein Funksignal, das von der Ionosphäre reflektiert wird, vor allem durch die Dämpfung in der D-Schicht geschwächt. Dabei werden langwellige Signale wesentlich stärker beeinträchtigt als die kurzwelligeren. Tatsächlich nimmt die Dämpfung mit zunehmender Frequenz quadratisch ab.
Die D-Schicht existiert praktisch nur auf der Tagseite der Erde, sie verschwindet bereits kurz nach Sonnenuntergang. Daher muß für DX-Verbindungen auf den niederfrequenten Bändern, wie etwa 80 oder 40 Meter der Ausbreitungsweg des Signals über die Nachtseite der Erde gehen.
Bleiben wir bei der oben erwähnten Funklinie und sehen wir uns dazu die Praxis an: Wir wollen beispielsweise im Winter auf 40 Meter eine Funkverbindung mit Kalifornien herstellen. Auf diesem Band zählen W6-Stationen schon fast zum seltenen DX! Trotzdem kann man mit großer Regelmäßigkeit im Winter nachmittags kalifornische Stationen auf 40 Meter beobachten. Diese kommen zum Teil mit beachtlichen Signalen in Mitteleuropa an. Die Signale erreichen dabei meist um die Zeit des Sonnenuntergangs ihr Maximum. Wir müssen uns nur verdeutlichen, daß die Nachtseite der Erde östlich von uns liegt, die sonnenbeschienene Erdhalbkugel westlich von uns. Eine Ausbreitung über den kurzen Weg, also entlang des Großkreises in nordwestlicher Richtung würde durch die, von der Sonne beschienene Erdhälfte führen, der kurze Weg ist daher wegen der hohen Tagesdämpfung unpassierbar. Die empfangenen Signale können folglich nur über den langen Weg kommen, was man mit einer Richtantenne jederzeit kontrollieren kann. Der lange Weg führt über die Nachtseite der Erde. Dabei legt das Signal einen Weg von 30000 km zurück, dennoch bietet der long path dabei einige Vorteile: der Ausbreitungsweg verläuft zum größten Teil über Wasser, dazu kommen noch, für den Empfang europäischer Stationen in Kalifornien zwei wichtige Tatsachen: Einerseits können kalifornische Stationen mit Richtantennen bei Verbindungen über den long path ihre Antenne so drehen, daß die Rückseite zum Rest der USA steht, damit werden inneramerikanische Signale aber bereits stark geschwächt. Auf der anderen Seite herrscht nun in Kalifornien Morgen; während der Nacht breitet sich die tote Zone aber auf 80 und 40 Meter üblicherweise so weit aus, daß Störungen durch Stationen im Umkreis von ein- bis zweitausend Kilometer praktisch wegfallen, eine sehr angenehme Nebenerscheinung für unsere Funkfreunde an der Westküste!
Selbstverständlich kann nicht nur auf 80 oder 40 Meter der Westen der USA über den langen Weg erreicht werden, die Grenzfrequenz ist in den Wintermonaten meist hoch genug, daß der lange Weg auch noch auf 20 Meter genützt werden kann.
Long path auf der Tagseite der Erde
Vor einigen Jahren, noch in der Zeit geringer Sonnenaktivität, wollte ich im Dezember unbedingt eine Verbindung mit Hawaii (KH6) herstellen. Was tun? Die üblichen Funkvorhersagen ergaben keine Anhaltspunkte, also machte ich, unter Zuhilfenahme amerikanischer Unterlagen, mit MUF-Karten meine eigene Auswertung für die gewünschte Linie. Abbildung 2 zeigt diese Vorhersage und zwar sowohl für den direkten als auch für den indirekten Weg. Sehr zu meiner Enttäuschung zeigte sich, daß die MUF (Maximum usable frequency = maximal verwendbare Frequenz) auf dem „short path" nicht über 13.5 MHz ansteigt. Über den long path gibt es allerdings zwei Möglichkeiten einer Bandöffnung auf 20 Meter: Um ca. 18.00 GMT und zwischen 04.00 und 10.00 GMT. Dabei zeigt sich, daß zwischen 06.00 und 08.00 GMT die MUF sogar bis etwas über 21 MHz ansteigt, eine Verbindung also eventuell auch auf dem 15-Meter-Band möglich wäre. Die Antenne wurde also auf den long path eingestellt und bereits am zweiten Tag gelang auf 20 Meter auf diesem Weg eine Verbindung. Sehen wir uns nun einmal den long path zwischen 06.00 und 08.00 GMT an: Wenn wir auf unsere Großkreiskarte blicken, sehen wir, daß wie bereits oben erwähnt, nach Hawaii ziemlich genau die gleiche Strahlrichtung einzuhalten ist wie zur Westküste der USA. Allerdings liegt KH6 auf dem direkten Weg ca. 12 000 km von uns entfernt, folglich beträgt die auf dem langen Weg zu überbrückende Entfernung ca. 28 000 km. Für die morgendliche Bandöffnung führt der lange Weg direkt über die sonnenbeschienene Seite der Erde. Dies ist leicht einsichtlich, wenn man sich vor Augen hält, daß der Sonnenaufgang bei uns im Dezember um etwa 06.30 GMT stattfindet. Dazu kommt, daß wir im Dezember ja die Sonnenwende haben. Auf der südlichen Erdhälfte, über die der lange Weg führt, herrscht Sommer und die Sonne erreicht ihren höchsten Stand. Daher steigt die MUF auf diesem südlichen Weg bis zum 21-MHz-Band an, während der kurze Weg, der über die nördliche Erdhälfte führt, wo jetzt Winter herrscht, nicht einmal auf 14 MHz offen ist. Der Unterschied ist deshalb so extrem, weil die -Verbindungslinie über polare Breiten führt. Und hier herrscht im Norden die Polarnacht, während im Süden die Mitternachtsonne scheint.
Die beschriebene Verbindungslinie kann hier nur beispielhaft sein. Selbstverständlich ist der lange Weg auch für andere Zielgebiete ähnlich wichtig. Beispielsweise nach Australien, wo der long path über die Karibik und den Pazifischen Ozean führt. Abschließend wollen wir uns noch einige Regeln vergegenwärtigen.
Einige Richtlinien
Für jeden Punkt der Erde gibt es, wie wir gesehen haben, zwei verschiedene Wege. Üblicherweise ist allerdings eine Verbindung über den kurzen Weg immer besser wenn die zu überbrückende Entfernung unter 10000 km liegt. Der Grund dafür ist leicht einzusehen: Das Signal wird auf dem langen Weg wegen der größeren Entfernung, dem öfteren Durchqueren der dämpfenden D-Schicht und der größeren Anzahl der notwendigen Reflexionen stärker gedämpft als auf dem kurzen Weg. Mit einem Sprung kann, wie bekannt, eine Entfernung von etwa 3 000 bis 4 000 km überbrückt werden. Für eine Entfernung von 10000 km brauchen wir also drei Sprünge, eine Verbindung über den long path wäre 30 000 km lang, was 8 bis 10 Sprünge und damit entsprechend mehr Reflexionen bedürfte.
Daß bei Verbindungen über die Nachtseite der Erde die dämpfende D-Schicht wegfällt, haben wir ja bereits besprochen. Für Verbindungen über den langen Weg, über die Nachtseite der Erde, kommen daher vor allem 80 und 40, sowie auch 20 Meter in Betracht. Eine long-path-Verbindung über die Sonnenseite der Erde ist vor allem auf Frequenzen über 10 MHz, also beispielsweise auf 20,15 und 10 Meter von Interesse.
Obwohl es nicht oft passiert, kann es vorkommen, daß beide Wege, sowohl der kurze wie auch der lange Weg offen sind. Dabei registriert man eine leichte Verzerrung des Signals aufgrund der unterschiedlichen Laufzeiten. Üblicherweise sind solche Bandöffnungen nur dann. der Fall, wenn der Ausbreitungsweg mit der Dämmerungszone zusammenfällt. Über die Ausbreitungsbedingungen in der Dämmerungszone wurde bereits ausführlich in funk, Juni 1988 „DX auf 80 und 40 Meter" berichtet. Arbeitet man entlang der Dämmerungszone, so sollte man, sofern man eine Richtantenne besitzt, insbesondere auf 20 Meter, beide Richtungen kontrollieren.
OE 6 CWL Jürgen A. Weigl
(aus Zeitschrift "Funk" 3/91)
mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "Funkamateur"