Das Garagentor per Smartphone öffnen, die Glühbirne mit einem Klick dimmen oder auf dem Heimweg die Heizung ansteuern: Immer mehr Elektrogeräte sind smart und vernetzt. Nur durch das eng verknüpfte Zusammenspiel von Betriebssystemen mit der Hardware lassen sich Funktionen steuern und Informationen nach außen kommunizieren. Beim Kauf eines Produkts hofft man auf eine möglichst lange Nutzungsdauer. Was aber, wenn es trotz funktionsfähiger Hardware unbrauchbar wird? In einer Studie für das Umweltbundesamt untersucht das Fraunhofer IZM mit Partnern die Ursachen für softwarebedingte Obsoleszenz und leitet Handlungsoptionen für die Politik ab.
Bisher legte die Forschungs-Community bei Lebensdaueruntersuchungen ihr Augenmerk auf Alterungs- und Verschleißprozesse der elektronischen Bauteile, die Software blieb so gut wie unbeobachtet. Doch auch die Software kann Grund dafür sein, dass die Lebensdauer von Elektronikgeräten verkürzt wird und somit zum steigenden Elektroschrott beiträgt. Um die so genannten Software-Obsoleszenz verstehen und beschreiben zu können, haben Forschende von der TU Berlin, dem Öko-Institut e.V. und dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM im Auftrag des Umweltbundesamtes eine Studie erhoben, die den Status Quo dieses Phänomens aufbereitet, Recherchen zu Produktgruppen sowie Verbraucher*innen-Befragungen erhebt und davon ausgehend produktpolitische Maßnahmen, Handlungsempfehlungen für Konsument*innen und vor allem Ratschläge zur Ursachenbekämpfung aufstellt. Die Pionierarbeit zum Thema softwarebedingter Obsoleszenz füllt damit die Informationslücke zum Zusammenhang zwischen Software, Produktdesign und Umweltauswirkungen.
Der Grundgedanke ist folgender: Eine Software hat eine bestimmte Qualität und Funktionen, die sie erfüllen soll. Ändern sich jedoch Anforderungen, zum Beispiel zu anderen Geräten oder Sicherheitsanforderungen, können sich diese qualitativen und funktionalen Aspekte verändern – und unter Umständen verschlechtern.
Das Team analysierte Einzelfälle der Software-Obsoleszenz in verschiedenen Produktgruppen: Von einer wenig kompatiblen und gerätespezifischen Software für ein smartes Thermostat bis hin zu Software-Updates von Smartphone-Anbietern, die versprechen, die Batterielebensdauer älterer Modelle zu verbessern. Das so genannte Battery-Gate führte in einigen Fällen jedoch zur Verschlechterung der gesamten Software-Performance von den betroffenen Smartphones.
Als drei zentrale Wirkungskategorien legen die Forschenden bei der Analyse der einzelnen Produktgruppen die Sicherheit, Funktion und Kompatibilität des Systems fest. Wird eine dieser Funktionen beeinträchtigt, wird von softwarebasierter Obsoleszenz gesprochen. Die unterschiedlichen Einzelfälle weisen die Forschenden auf einen Zielkonflikt des Phänomens hin: Durch neue Anforderungen an das Gerät befindet sich die Software und damit das Gesamtsystem in ständiger Veränderung. Doch genau dabei können unsichtbare Mängel entstehen.
Zu Beginn der Studie befragte das Team Verbraucher*innen – sichtbar wurde, dass sich 60 % der Befragten ein größeres Verständnis rund um konkrete Obsoleszenzrisiken von Software wünschen. Warum die Software als Katalysator für Verschleißprozesse ein blinder Fleck ist, erklären sich die Expert*innen wie folgt: Bisher sind die meisten Elektronikgeräte nicht von einer extremen Software-Abhängigkeit betroffen. Prognosen der Studie zeigen jedoch, dass sich dieser Trend rasant ändern wird: Der schnell wachsende Markt im Bereich der Smart Homes, aber auch die Etablierung des autonomen Fahrens werden viele Devices mit Zusatzfunktionalitäten und starkem Software-Bezug hervorbringen. Auch im öffentlichen Raum nimmt die Vernetzung beispielsweise in Form von digitalisierten Lichtanlagen oder smarter Verkehrssteuerung zu.
Festgehalten werden kann aber ganz klar: Während üblicherweise davon ausgegangen wird, ein Update würde die Nutzungsqualität steigern, kann dieses potenziell zu langfristigen Verschlechterungen der Performance oder zum Verlust einzelner Funktionalitäten führen. „Man denkt immer, die Software könnte nicht verschleißen, sie rostet ja nicht, aber wenn ein Smartphone nach zwei Nutzungsjahren keinen Software-Support mehr erhält, ist das aus Engineering-Sicht eine Katastrophe. Wenn wir die Prinzipien des Ökodesigns auf die Software anwenden, könnten wir zu einer Entschleunigung und längerer Produktlebensdauer gelangen“, so Erik Poppe, Projektverantwortlicher an der TU Berlin.
Marina Köhn, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Umweltbundeamt und für die Themen Green-IT verantwortlich, geht noch weiter: „Die Studie des Fraunhofer IZM, der TU Berlin und des Öko-Instituts e.V. weist uns deutlich darauf hin, mit welchen Problemen wir durch die Vernetzung von Produkten in Zukunft rechnen müssen. Software darf nicht dazu beitragen, dass Produkte nicht mehr nutzbar sind und sich das Elektronikschrottaufkommen zusätzlich erhöht. Hersteller müssen in die Pflicht genommen werden, ihre Produkte so zu designen, dass sie ausreichend lange genutzt werden können. Geschäftsmodelle die dem entgegenwirken, müssen untersagt werden. Außerdem müssen Konsument*innen beim Kauf eines Produktes darüber informiert werden, welche Abhängigkeiten mit anderen Geräten und Diensten bestehen und bei Änderungen muss der Hersteller die Zustimmung des Nutzenden einholen“.
Abschließend leiteten die Forschenden Handlungsempfehlungen für die staatliche Regulierung ab, die die Lebensdauer von Produkten mittels Software verlängern, statt reduzieren sollen. Der Flickenteppich aus Anregungen fokussiert sich auf drei zentrale Aspekte: Zum einen sollen die Mindestanforderungen für den Marktzugang spezifiziert und damit eine Mindestnutzungsdauer gewährleistet werden. Dafür sollen Geräte auch ohne externe Abhängigkeiten betrieben werden können. Sicherheitsrelevante Updates sollen für mindestens zehn Jahre bereitgestellt werden. Außerdem sollen Schnittstellen zur Stärkung der Kompatibilität und Interoperabilität von Systemen entstehen.
Als zweite Anforderung nennt die Studie Maßnahmen für mehr Transparenz. So sollen etwa Hersteller die Abhängigkeiten von softwarebetriebenen Produkten und den garantierten Supportzeitrahmen verpflichtend benennen müssen. Zuletzt sollen Ökoinnovationen wie nachhaltige Softwareentwicklung gefördert werden.
„Zusätzlich zu den Handlungsempfehlungen für das Umweltbundeamt war uns wichtig, dass das Projekt fachlichen Austausch angeregt hat. Softwarebasierte Obsoleszenz muss als Hürde für nachhaltigen Elektronikkonsum sichtbar werden. Das gilt nicht nur für die Fachwelt: Ziel ist es, die Awareness der Nutzer*innen zu steigern, so dass man sich schon vor dem Kauf überlegt, was nach dem Kauf passiert.“, so Jan Druschke, Nachhaltigkeitsexperte vom Fraunhofer IZM.
Basierend auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Studie werden im politischen Prozess Handlungsempfehlungen entwickelt und Konsens zwischen Herstellern, Verbraucher*innen und Expert*innen geschaffen.
(Susann Thoma - Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM)