logo

iss4.jpg
Vielleicht sollte man die Überschrift auch anders formulieren: Wer wird in Zukunft auf der ISS an Bord sein? Davon hängt eigentlich die Zukunft der einmaligen internationalen Orbitalstation ab. Doch ist die Perspektive, den jetzigen Teambestand der Station zu erhalten, eher gering.

Offen gesagt gibt es da gar keine Perspektiven. Wenig erfreulich ist auch, dass die wichtigsten Betreiber des ISS - Russland und die USA - an der weiteren Arbeit an Bord der gemeinsamen Heimstatt im All jeweils auf eigene Weise objektiv nicht interessiert sind.

Auf den ersten Blick mag diese Behauptung beinahe lästerlich wirken, wenn man von Russland spricht. Doch so einfach ist alles nicht. Fangen wir dennoch mit Amerika an.

Der 12. August, ein Sonntag, war für das so mühsam wiederbelebte "Space Shuttle"-Programm nicht gerade der sonnigste. Wie die Analyse gezeigt hat, sind die beim Start entstandenen Schäden an der "Endeavour" ernsthafter, als zuvor angenommen. Man möchte so gerne daran glauben, dass der Shuttle auch diesmal den Flug erfolgreich beendet. Nur dass die Amerikaner bei der Vorbereitung der laut ISS-Programm restlichen elf Missionen wohl kaum viel Enthusiasmus zeigen werden.

Natürlich sind unsere Partner alles andere als unaufrichtig, wenn sie sagen, dass sie bis Oktober 2010 - im Grunde das Ende des Shuttle-Programms - die Station komplett auszubauen beabsichtigen. Es könnten aber Umstände eintreten, die als zwingend, als höhere Gewalt eingeschätzt werden. Zum Beispiel häufige und gefährliche Schäden am Hitzeschild. Gerade das geschieht derzeit in unterschiedlichem Maße bei jedem Flug.

Sehr wahrscheinlich ist, dass sich die Amerikaner aus rein technischen Gründen innerhalb der kommenden zwei Jahre nicht mehr durchhalten werden können und ihre Raumfähren endgültig "landen". Offen gesagt ließe sich nur schwer bestätigen, dass ein solches Szenario die neue Raumfahrt, insbesondere ihr bemanntes Segment, wirklich negativ beeinflussen würde.

Wie nämlich NASA-Chef Michael Griffin wiederholt sagte, bestehe das strategische Ziel des Programms der US-Flüge in der Erforschung des Weltraums außerhalb der erdnahen Umlaufbahn. Was bedeuten soll, dass das ISS-Projekt für das amerikanische Raumfahrtprogramm nicht mehr am wichtigsten ist. In strategischer Hinsicht ist die Mitteilung vom Juni nicht uninteressant, dass Roskosmos (Russische Weltraumbehörde) und die NASA einen Plan zum Betrieb der Station "für drei bis vier Jahre" vereinbart haben. Aber die Amerikaner haben nicht die Absicht, die Strategie zu ändern. Einerseits jedoch werden die technischen Störungen bei den Shuttles dieses Programm vorzeitig abbrechen und die für die Entwicklung des neuen Raumschiffes "Orion" so notwendigen alljährlichen 4 Milliarden Dollar freisetzen und andererseits von der NASA erfordern, das Astronauten-Programm zu überprüfen. Es ist bei weitem nicht klar, dass die NASA bei dieser Entwicklung der Ereignisse die Flüge treu fortsetzen wird.

Wir wollen versuchen, ein wenigstens einigermaßen würdiges Motiv dafür zu finden, dass sich die Amerikaner am genannten Projekt auch weiter beteiligen. Die mit Russland gemeinsamen Forschungen? Das Programm ist nicht der Rede wert. Ihre eigenen wissenschaftlichen Experimente? Ihr Umfang ist auch heute unbedeutend, und morgen beginnt die Vorbereitung auf die Mond- und Marsflüge, die unsere Partner allem Anschein nach für ihre durch und durch persönliche Angelegenheit halten. Ihre Abwesenheit auf der ISS ist in diesem Fall für sie gelinde gesagt keineswegs kritisch. Was bleibt, sind die Partnerverpflichtungen. Aber Sie müssen schon entschuldigen - höhere Gewalt...

Für Russland dagegen ist die ISS alles, was wir in dem einst gigantischen Bereich der bemannten Raumfahrt noch haben. Der Verlust der Station wäre ein ohne jede Übertreibung großes Trauma für die gesamte einheimischen Branche. Hier erhebt sich aber eine Frage: Wenn wir dabeibleiben, was an sich indiskutabel ist, was soll dann getan werden, vor allem aber: wie?

In den kommenden zwei Jahren sind bei uns keinerlei "Clipper-Orions" in Sicht. Folglich ist es der ISS beschieden, das Jahr 2010 zusammen mit den Sojus- und Progress-Fähren zu begehen, die die Teams und die Frachten der ISS hin und her befördern werden. Wie soll man in diesem Fall von weiteren Expeditionen sprechen? Mir fällt da nichts ein. Es ist kein Geheimnis, dass heute einer der drei Kosmonauten beziehungsweise Astronauten den weitaus größten Teil seiner Zeit für die Beseitigung aller möglichen Störungen, die an Bord entstehen, verwenden muss. Von welchen ernsten Forschungen kann da also die Rede sein? Zudem gibt es keine greifbaren eigenen wissenschaftlichen Programme für die ISS. Das heißt: Auf dem Papier bestehen sie vielleicht. Aber das genügt noch lange nicht.

Es gibt noch einen Umstand, der dazu berechtigt, die Lage Russlands in Bezug auf die Internationale Raumfahrtstation als eine Pattsituation zu betrachten. Ende 2005 gingen die Amerikaner darauf ein, die Plätze für ihre Astronauten auf den Sojus-Schiffen zu bezahlen. Das ist gut. Im Weiteren, je nach Zustand des eigenen Space-Shuttle-Programms, könnte die NASA auch daran denken, Sojus-Schiffe für die eigenen Zwecke zu kaufen, wenn sie ihre "Boys" auf Reise in den Orbit schicken will. Auch das ist gut. In den Betriebshallen bei Moskau wird man die so gut bekannten Baureihen zu den einheitlichen, seit Jahrzehnten ohne Ablösung startenden Schiffen zusammenmontieren. Alles funktioniert, alle haben zu tun, die Sache läuft wie am Schnürchen.

Aber was für eine Sache? Sehr richtig, die alte. Unterdessen werden die Amerikaner in aller Ruhe "Orion" und die übrige aussichtsreiche Technik bauen und testen. China und Indien beschleunigen ihre Programme von bemannten Raumflügen mit den weltweit neuesten Entwicklungen. Wen also wird die ISS morgen an ihrem Bord wirklich sehen können?

[von Andrej Kisljakow  ria novosti]

© 2024 Funkzentrum In Media e. V.
Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.