Forscher von der Universitätssternwarte München (USM) und vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) haben das größte bekannte Schwarze Loch im nahen Universum entdeckt. Der Gigant vereint rund 40 Milliarden Sonnenmassen in sich und sitzt im Zentrum des Galaxienhaufens Abell 85. Dies geht aus einer Pressemitteilung des MPE hervor.
Demnach ist das Schwergewicht bei einer Analyse der Geschwindigkeiten von Millionen von Sternen in der zentralen Galaxie des Abell 85-Haufens entdeckt worden. Das Forscherteam wertete hierfür neue photometrische Daten des Wendelstein-Observatoriums sowie neue hochauflösende spektrale Beobachtungen mit dem Very Large Telescope aus.
Riesige Sternenansammlung
Obwohl allein die Sterne in der Zentralgalaxie des Galaxienhaufens Abell 85 zusammengenommen die enorme Masse von mehr als zwei Billionen Sonnenmassen haben – eine der größten Sternenansammlungen überhaupt –, ist das Zentrum der Galaxie extrem diffus und lichtschwach. Die Astronomen wollten deshalb einen genaueren Blick auf diese Galaxie werfen.
Die Beobachtung war jedoch nicht einfach: Der Galaxienhaufen Abell 85, der mehr als 500 einzelne Galaxien enthält, befindet sich im Abstand von 700 Millionen Lichtjahren. „Es gibt nur wenige Dutzend direkte Bestimmungen supermassereicher schwarzer Löcher – und noch nie zuvor ist das in einer solch großen Entfernung gelungen“, sagt Max-Planck-Forscher Jens Thomas, der die Studie leitete. „Aber wir hatten bereits eine Ahnung von der Größe des schwarzen Lochs in dieser speziellen Galaxie, also haben wir es probiert.“
Deutlich größer als erwartet
Die neuen Daten ermöglichten es dem Forscherteam, ein Schwarzes Loch in Holm 15A nachzuweisen und eine verlässliche Massenbestimmung durchzuführen, die direkt auf den Bewegungen der Sterne um den Kern der Galaxie basiert.
Das Ergebnis ist den Astronomen zufolge beeindruckend: Mit 40 Milliarden Sonnenmassen sei das schwarze Loch das massereichste, das die Astronomen derzeit im Universum kennen. „Es ist um ein Vielfaches größer, als man es aufgrund indirekter Messungen, wie der Sternmasse oder der Geschwindigkeitsdispersion der Sterne der Galaxie, erwarten würde“, sagt Roberto Saglia, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik.
Die Messungen der Galaxie zeigten ein extrem lichtschwaches Zentrum mit nur noch sehr wenigen Sternen – dies ist zwar ähnlich wie in manchen anderen elliptischen Galaxien, aber sehr viel stärker ausgeprägt.
„Das Lichtprofil im inneren Kern nimmt zum Zentrum hin auch nicht mehr zu“, erklärt Kianusch Mehrgan, Doktorand an der Ludwig-Maximilian-Universität München. „Das bedeutet, dass die meisten Sterne aufgrund von Interaktionen bei vorangegangenen Verschmelzungen von schwarzen Löchern aus dem Zentrum geschleudert worden sein müssen.“
Ausgestoßene Sterne
Nach gängiger Auffassung entstehen diese diffusen Kerne in den größten elliptischen Galaxien, weil die Sterne aus dem Zentrum „herausgefegt“ werden. Bei der Verschmelzung von zwei Galaxien bilden deren schwarze Löcher zunächst ein Paar, bevor sie schließlich auch verschmelzen. Sterne auf Flugbahnen, die in die Nähe der beiden schwarzen Löcher führen, werden durch gravitative Wechselwirkungen aus dem Zentrum der Restgalaxie herausgeschleudert. Ist im Zentrum der Galaxie kein Gas mehr vorhanden, um neue Sterne zu bilden (wie das in jüngeren Galaxien der Fall wäre), führt dies dazu, dass der Kern immer diffuser und ärmer an Sternen wird.
„Die neueste Generation von Computersimulationen der Verschmelzung von Galaxien lieferte uns Vorhersagen, die tatsächlich gut zu den beobachteten Eigenschaften passen“, sagt Jens Thomas, der auch die dynamischen Modelle beisteuerte. „Diese Simulationen beinhalten die Wechselwirkungen zwischen Sternen und einem Schwarzen-Loch-Paar; die wesentliche Komponente sind aber zwei elliptische Galaxien, die bereits diffuse Kerne haben. Die Form des Lichtprofils und die Flugbahnen der Sterne sind sehr wertvolle archäologische Informationen und verraten uns, wie sich der Kern in dieser Galaxie gebildet hat – dies lässt sich auch auf andere sehr massereiche Galaxien übertragen.“
Kette von Verschmelzungen
Vor dem Hintergrund der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte in einer Kette von Verschmelzungen konnten die Wissenschaftler eine neue Beziehung zwischen der Masse des zentralen schwarzen Lochs und der Oberflächenhelligkeit der Galaxie Holm 15A herstellen: Mit jeder Verschmelzung gewinnt das schwarze Loch an Masse, während das Galaxienzentrum Sterne verliert. Astronomen könnten diese Beziehung für Massenabschätzungen von schwarzen Löchern in noch ferneren Galaxien nutzen, bei denen direkte Messungen der Sternenbewegungen nahe am schwarzen Loch nicht möglich sind.
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