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Mit dem Very Large Telescope der ESO hat man die erste Wetterkarte der Oberfläche des erdnächsten Braunen Zwergs erstellt. Ein internationales Astronomenteam angeführt von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg hat eine Karte der dunklen und hellen Strukturen auf WISE J104915.57-531906.1B angefertigt, der inoffiziell auch als Luhman 16B bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen von zwei kürzlich entdeckten Braunen Zwergen, die einander in nur sechs Lichtjahren Entfernung zur Sonne umkreisen. Die neuen Ergebnisse werden in der Ausgabe der Fachzeitschrift Nature vom 30. Januar 2014 veröffentlicht.

Braune Zwerge füllen die Lücke zwischen großen Gasplaneten wie Jupiter und Saturn und lichtschwachen, kühlen Sternen. Sie besitzen nicht genug Masse, um in ihrem Zentralbereich die Kernfusion zu zünden und glühen nur schwach im Infrarotbereich des elektromagnetischen Spektrums. Der erste Braune Zwerg, dessen Fund bestätigt werden konnte, wurde erst vor zwanzig Jahren entdeckt. Bislang sind nur einige Hundert dieser schwer fassbaren Objekte bekannt.

Die beiden Braunen Zwerge, die unserem Sonnensystem am nächsten liegen, bilden ein Paar namens Luhman 16AB [1], das nur sechs Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Vela (das Segel) zu finden ist. Dieses Paar ist nach Alpha Centauri und Bernards Pfeilstern das drittnächste Himmelsobjekt zur Erde, wurde aber erst Anfang 2013 entdeckt. Es war schon vorher bekannt, dass der lichtschwächere Partner, Luhman 16B, während seiner Rotation alle paar Stunden seine Helligkeit ändert – ein Hinweis darauf, dass er eventuell deutliche Oberflächenstrukturen aufweist.

Nun haben Astronomen mit dem Very Large Telescope (VLT) der ESO mit Luhman 16B nicht nur einen dieser Braunen Zwerge fotografiert, sondern gleich die dunklen und hellen Teile seiner Atmosphäre kartiert.

Ian Crossfield vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, Hauptautor des neuen Fachartikels, fasst die Ergebnisse zusammen: „Frühere Beobachtungen haben bereits Hinweise darauf ergeben, dass Braune Zwerge eine gefleckte Oberfläche besitzen sollten. Jetzt können wir solch eine Oberfläche direkt kartieren. In Zukunft sollten wir dabei zusehen können, wie auf Luhman 16B Wolken neu entstehen, wie sie sich entwickeln und wieder verschwinden – vielleicht sind wir dann irgendwann an dem Punkt, wo Exo-Meteorologen vorhersagen können, wann ein Besucher auf Luhman 16B klaren oder bewölkten Himmel erwarten könnte.

Um die Oberfläche zu kartieren, haben die Astronomen eine clevere Technik eingesetzt. Sie haben die Braunen Zwerge mit Hilfe des CRIRES-Instruments am VLT beobachtet. Dies ermöglichte es ihnen nicht nur die Helligkeitsänderungen während der Rotation von Luhman 16B zu sehen, sondern auch ob die dunklen und hellen Strukturen sich vom Beobachter weg oder zum Beobachter hin bewegen. Indem sie all diese Informationen kombiniert haben, konnten sie eine Karte der dunklen und hellen Flecken auf der Oberfläche erstellen.

Die Atmosphäre von Braunen Zwergen ähnelt sehr denen heißer Gasriesen. Durch Untersuchungen von einfach zu beobachtenden Braunen Zwergen [2] können Astronomen also mehr über die Atmosphären von jungen Gasriesen lernen – von denen viele in naher Zukunft mit dem SPHERE-Instrument gefunden werden sollen, das 2014 am VLT angebracht werden wird.

Crossfield schließt mit einer persönlichen Bemerkung ab: „Unsere Karte des Braunen Zwergs hilft dabei uns einen Schritt näher zum Verständnis von Wettermustern in unserem Sonnensystem zu bringen. Von klein auf wurde mir beigebracht die Schönheit und den Nutzen von Karten wertzuschätzen. Da ist es wirklich aufregend zu sehen, dass wir nun angefangen haben sogar Objekte außerhalb unseres Sonnensystems zu kartieren!“

Endnoten

[1] Dieses Paar wurde vom US-amerikanischen Astronomen Kevin Luhman auf Bildern des WISE-Infrarot-Durchmusterungssatelliten entdeckt. Zwar ist das Objekt offiziell als WISE J104915.57-531906.1 bekannt, jedoch wurde ein kürzerer Name zur Vereinfachung vorgeschlagen. Da Luhman zuvor schon 15 andere Doppelsternsysteme entdeckt hatte, einigte man sich auf den Namen Luhman 16. Den Konventionen zur Benennung von Doppelsternsystemen folgend, heißt der hellere Stern Luhman 16A und der lichtschwächere Luhman 16B. Das Paar zusammen heißt Luhman 16AB.

[2] Heiße Jupiter befinden sich sehr nah an ihren Muttersternen, die sehr viel heller sind. Deshalb ist es fast unmöglich das schwache Licht des Planeten zu beobachten, das durch das Sternlicht überstrahlt wird. Im Fall von Braunen Zwergen jedoch gibt es nichts, was das schwache Glühen vom Objekt selbst überstrahlen könnte, so dass man viel genauere Messungen durchführen kann.
Weitere Informationen

Die hier vorgestellten Ergebnisse erscheinen demnächst unter dem Titel „A Global Cloud Map of the Nearest Known Brown Dwarf”, von Ian Crossfield et al. in der Fachzeitschrift Nature.

Die beteiligten Wissenschaftler sind I. J. M. Crossfield (Max-Planck-Institut für Astronomie [MPIA], Heidelberg), B. Biller (MPIA; Institute for Astronomy, University of Edinburgh, Großbritannien), J. Schlieder (MPIA), N. R. Deacon (MPIA), M. Bonnefoy (MPIA; IPAG, Grenoble, Frankreich), D. Homeier (CRAL-ENS, Lyon, Frankreich), F. Allard (CRAL-ENS), E. Buenzli (MPIA), Th. Henning (MPIA), W. Brandner (MPIA), B. Goldman (MPIA) und T. Kopytova (MPIA; International Max-Planck Research School for Astronomy and Cosmic Physics an der Universität Heidelberg).

Die Europäische Südsternwarte ESO (European Southern Observatory) ist die führende europäische Organisation für astronomische Forschung und das wissenschaftlich produktivste Observatorium der Welt. Getragen wird die Organisation durch ihre 15 Mitgliedsländer: Belgien, Brasilien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien, die Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Schweden, die Schweiz und die Tschechische Republik. Die ESO ermöglicht astronomische Spitzenforschung, indem sie leistungsfähige bodengebundene Teleskope entwirft, konstruiert und betreibt. Auch bei der Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Astronomie spielt die Organisation eine maßgebliche Rolle. Die ESO betreibt drei weltweit einzigartige Beobachtungsstandorte in Nordchile: La Silla, Paranal und Chajnantor. Auf dem Paranal betreibt die ESO mit dem Very Large Telescope (VLT) das weltweit leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts und zwei Teleskope für Himmelsdurchmusterungen: VISTA, das größte Durchmusterungsteleskop der Welt, arbeitet im Infraroten, während das VLT Survey Telescope (VST) für Himmelsdurchmusterungen ausschließlich im sichtbaren Licht konzipiert ist. Die ESO ist der europäische Partner bei den neuartigen Verbundteleskop ALMA, dem größten astronomischen Projekt überhaupt. Derzeit entwickelt die ESO ein Großteleskop mit 39 Metern Durchmesser für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren und Infrarotlichts, das einmal das größte optische Teleskop der Welt werden wird: das European Extremely Large Telescope (E-ELT).

(Quelle: Pressemitteilung ESO)

 

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